Digitale Aufklärung in der Praxis: Mehr Rechtssicherheit, weniger Zeitdruck

Die Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht steigen kontinuierlich. Gesetzgeber und Rechtsprechung fordern eine verständliche, individuelle und dokumentierte Information des Patienten, bevor eine medizinische Maßnahme durchgeführt werden darf. In einem eng getakteten Klinik- oder Praxisalltag ist dies oft schwer umzusetzen.

Digitale Tools – insbesondere individualisierte Aufklärungsvideos – bieten hier eine konkrete Lösung. Sie ermöglichen eine standardisierte, qualitätsgesicherte und zugleich patientenspezifisch adaptierbare Informationsvermittlung, die nicht nur rechtlich belastbarer, sondern auch ressourcenschonend ist.

Dieser Beitrag erläutert, warum digitale Patientenaufklärung medizinischem Fachpersonal nicht nur Zeit spart, sondern auch eine tragfähige Grundlage für die informierte Einwilligung (Informed Consent) nach ABGB (Österreich) und BGB (Deutschland) schafft.

Juristische Grundlage: Die Pflicht zur individuellen Aufklärung

Gemäß § 630e BGB (DE) und § 252 ABGB (AT) darf kein medizinischer Eingriff ohne vorherige, individuell verstandene Einwilligung erfolgen. Die Aufklärung muss:

  • personenbezogen erfolgen (keine Standardtexte ohne Relevanz)
  • verständlich sein (angepasst an Sprache, Bildung, Gesundheitskompetenz)
  • rechtzeitig und mündlich erfolgen
  • vollständig dokumentiert werden

Standardbögen und vorformulierte Texte können diese Anforderungen nicht allein erfüllen, wie zahlreiche Gerichtsentscheidungen zeigen. Ein typischer Fehler: pauschale Übergabe eines Aufklärungsformulars ohne vertiefendes Gespräch oder individuelle Risikobewertung.

Hier setzen digitale Lösungen an – sie standardisieren den Ablauf, aber individualisieren den Inhalt.

Individualisierte Aufklärungsvideos: Verständlichkeit trifft Patientenzentrierung

Moderne Aufklärungstools wie medudoc ermöglichen es, patientenspezifische Videos zu erstellen, die auf:

  • die konkrete Diagnose,
  • den konkreten Eingriff,
  • individuelle Risikofaktoren (z. B. Vorerkrankungen),
  • die gewählte Sprache
  • und gewünschte Informationsdichte

abgestimmt sind.

Das Resultat: Ein patientenspezifisches Erklärvideo, das dem Patienten vor dem persönlichen Gespräch zur Verfügung gestellt wird – auf Wunsch per Link, Tablet oder Portal.

Vorteile für die Rechtssicherheit:

  • Individuelle Aufklärungspflicht erfüllt: Der Inhalt des Videos wird auf den Patientenfall zugeschnitten, dokumentiert und archiviert.
  • Verständlichkeit gewährleistet: Die visuelle und sprachlich vereinfachte Darstellung reduziert Missverständnisse erheblich.
  • Verstärkte Beweisführung: Der Abrufzeitpunkt, die Betrachtungsdauer und die Einwilligung werden digital erfasst – ein starker Baustein im Haftungsfall.

Rechtliche Anerkennung:

Gemäß EU-eIDAS-Verordnung und nationalen Vorgaben (z. B. DSGVO, ÄrzteG § 51) sind digitale Dokumentationen und Signaturen unter bestimmten Voraussetzungen voll rechtsgültig. Eine qualifizierte elektronische Signatur kann handschriftliche Unterschriften rechtssicher ersetzen – etwa bei Fernaufklärungen im Rahmen der Telemedizin.

Zeitersparnis für Ärzt:innen – Fokus auf das Wesentliche

In der herkömmlichen Aufklärung verbringen Ärzt:innen häufig 15–25 Minuten mit der Erklärung von Standardinhalten – unabhängig davon, wie vertraut oder interessiert der Patient ist.

Mit videobasierter Aufklärung verlagert sich der Informationsprozess in die Vorbereitungsphase. Patienten erhalten frühzeitig das Material, können es mehrfach ansehen, ggf. mit Angehörigen besprechen und gezielte Fragen vorbereiten.

In unseren Studien haben sich die folgenden Parameter aus der videogestützten Patientenaufklärung ermitteln lassen:

  • Reduktion des Zeitaufwands um bis zu 70 % im Gespräch selbst
  • Bessere Patientenbeteiligung, da mehr Verständnis
  • Weniger Rückfragen zu Standardthemen
  • Höhere Zufriedenheit und Vertrauen

Dadurch kann sich das ärztliche Gespräch auf klinisch entscheidende Aspekte fokussieren: individuelle Risiken, OP-Alternativen, Entscheidungsfindung. Für komplexe Fälle bleibt so mehr Zeit und Sorgfalt – ohne die Routineaufklärung zu vernachlässigen.

Integration in bestehende Klinik-Workflows

Digitale Aufklärung lässt sich heute problemlos in bestehende Systeme integrieren:

  • medudoc bietet API-Schnittstellen und HL7-kompatible Module zur Anbindung an KIS/PVS.
  • Signaturen können digital am Tablet oder remote (per Zwei-Faktor-Authentifizierung) eingeholt werden.
  • Die Dokumentation erfolgt automatisiert, inklusive Zeitstempel, Inhalt, Signatur, Gerätenachweis und Archivierung.

Gerade in Einrichtungen mit hoher Fluktuation oder wechselnden Fachärzt:innen sorgt diese Struktur für standardisierte Rechtssicherheit – unabhängig davon, wer im Einzelfall aufklärt.

Fazit: Digitale Aufklärung ist mehr als ein Effizienztool – sie ist ein Qualitätsstandard

Die Kombination aus individueller Ansprache, standardisierter Qualität und rechtssicherer Dokumentation macht die digitale Patientenaufklärung zu einem echten Game Changer im medizinischen Alltag.

Gerade für medizinische Fachkräfte ist sie die Antwort auf wachsende Anforderungen bei:

  • Rechtskonformität
  • Patientenbindung
  • Haftungsminimierung
  • Effizienz im Ablauf

Ziel ist nicht, das Arztgespräch zu ersetzen, sondern aufzuwerten: durch gezielte Vorbereitung, bessere Informiertheit und strukturierte Gesprächsführung.

FAQ zur digitalen Patientenaufklärung

Nein. Das persönliche Gespräch bleibt Pflicht. Aber Videos können die Grundlage schaffen, um dieses Gespräch auf höherem Niveau und mit besserem Verständnis zu führen.

Ja – wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und DSGVO-konform dokumentiert wird (z. B. über medudoc).

Durch gezielte Parametrierung der Inhalte (z. B. Auswahl von Risikogruppen, Sprachen, Eingriffstyp). Moderne Tools wie medudoc dokumentieren diese Einstellungen automatisiert.

medudoc erfasst einen Consent-Trail, der alle Elemente der Aufklärung dokumentiert. Somit erfassen wir einerseits, welche Segmente in einem Video ein Patient:in angesehen hat, andererseits dokumentieren wir jedoch auch, wenn gewisse Stellen mehrfach angesehen wurden. Eine mehrfache Ansicht kann auf Verständnisprobleme hindeuten, die gesondert angesprochen werden müssen.

Ja, ein:e Patient:in kann während der Video-Wiedergabe im Player sogenannte Live-Feedbacks übermitteln. Dies bedeutet, dass durch einfache Schaltflächen Feedback gegeben werden kann, das sich auf die aktuelle Wiedergabeposition bezieht. So kann der Patient beispielsweise um eine persönliche Erklärung bitten oder eine Stelle als „Verstehe ich nicht“ markieren. Die Aufklärung wird somit nochmals individueller.

Der Arzt muss sich vergewissern, dass der Patient informiert ist. Digitale Tools erfassen, ob und wann das Video angesehen wurde – ist das nicht geschehen, muss der Arzt nachbessern.

Ähnliche Beiträge