Informierte Einwilligung in Österreich: Rechtslage, Praxis und Herausforderungen für medizinisches Fachpersonal
Die informierte Einwilligung – international als Informed Consent bekannt – bildet das rechtliche und ethische Fundament jeder medizinischen Maßnahme. Für Ärzt:innen, Fachärzt:innen und juristische Fachkräfte im österreichischen Gesundheitswesen ist sie nicht nur rechtliche Pflicht, sondern elementarer Bestandteil patientenzentrierter Versorgung.
Gemäß § 252 ABGB darf eine medizinische Behandlung ausschließlich mit Zustimmung des Patienten durchgeführt werden. Die Einwilligung ist nur dann wirksam, wenn sie nach verständlicher und vollständiger Aufklärung erfolgt. Eine Behandlung ohne solche Einwilligung ist grundsätzlich rechtswidrig – auch wenn sie medizinisch indiziert war.
Das bedeutet: Die Verantwortung für die korrekte Umsetzung des Informed Consent liegt vollumfänglich beim medizinischen Personal. Dieser Beitrag gibt einen vertiefenden Überblick über die geltende Rechtslage in Österreich, operative Anforderungen in der Praxis und häufige Fallstricke im klinischen Alltag. Eine vergleichende Betrachtung mit Deutschland sowie eine Einordnung digitaler Lösungen wie medudoc finden Sie im zugehörigen Hauptartikel zur informierten Einwilligung in Deutschland und Österreich.
Gesetzliche Grundlagen der informierten Einwilligung
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) regelt in den §§ 252–255 die Voraussetzungen für die medizinische Behandlung von Erwachsenen. Wesentliche Inhalte:
- § 252 ABGB: Nur entscheidungsfähige volljährige Personen können eigenständig einwilligen.
- § 253 ABGB: Bei fehlender Entscheidungsfähigkeit ist die Zustimmung eines Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters erforderlich – es sei denn, eine verbindliche Patientenverfügung liegt vor.
- § 173 ABGB: Kinder und Jugendliche können einwilligen, wenn sie einsichts- und urteilsfähig sind. Bei schwerwiegenden Eingriffen ist zusätzlich die Zustimmung der Eltern (Obsorgeberechtigten) notwendig.
Eine zentrale Rolle spielt das Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG). Es unterscheidet:
- Verbindliche Patientenverfügung: Schriftlich, nach ärztlicher Aufklärung, rechtlich bindend für den Arzt.
- Beachtliche Patientenverfügung: Ohne formale Erfordernisse, jedoch verpflichtend zu berücksichtigen.
In Kombination mit dem Ärztegesetz (§ 51), das zur Dokumentation aller medizinischen Maßnahmen verpflichtet, ergibt sich ein klarer rechtlicher Rahmen: Kein Eingriff darf ohne rechtswirksame Einwilligung erfolgen, und diese muss sauber dokumentiert sein.
Anforderungen an Aufklärung und Einwilligung
Inhalte der Aufklärung
Bevor ein Patient rechtswirksam einwilligen kann, muss das medizinische Fachpersonal ihn über folgende Punkte aufklären:
- Art und Ziel der Behandlung
- mögliche Risiken und Komplikationen
- Alternativen zur vorgeschlagenen Maßnahme
- Erfolgsaussichten und Prognosen
- Konsequenzen einer Nichtbehandlung
Diese Informationen müssen mündlich, verständlich und rechtzeitig vermittelt werden. Der Einsatz von Aufklärungsbögen, Videos oder Infomaterial ist erlaubt – ersetzt jedoch nicht das persönliche Gespräch.
Form und Dokumentation
Die Einwilligung erfolgt idealerweise schriftlich, besonders bei invasiven oder risikobehafteten Eingriffen. Entscheidend ist aber, dass der Patient den Inhalt verstanden hat und dem Eingriff freiwillig zustimmt.
Gemäß § 51 Ärztegesetz ist die Aufklärung samt Einwilligung vollständig und nachvollziehbar zu dokumentieren. Das bedeutet:
- Datum, Uhrzeit und Inhalt des Gesprächs festhalten
- Name des aufklärenden Arztes
- Unterschrift des Patienten (digital oder analog)
- eventuelle Besonderheiten (Sprachbarrieren, Rückfragen, Ablehnung)
Verzichtet der Patient auf Aufklärung, ist auch das zu dokumentieren. Ein Verzicht befreit nicht von der Pflicht, den Patienten auf wesentliche Risiken hinzuweisen, wenn der Verzicht nicht absolut ist.
Häufige Herausforderungen im klinischen Alltag
Ob in der ambulanten Versorgung, im Spital oder bei telemedizinischen Leistungen – folgende Fehlerquellen treten immer wieder auf:
- Zeitdruck: Verkürzte Aufklärungsgespräche oder rein formale Übergabe eines Formulars sind rechtlich unzureichend.
- Sprachbarrieren: Aufklärung ohne qualifizierten Dolmetscher kann zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen.
- Standardisierung ohne Individualisierung: Ein generischer Bogen ohne Bezug zur konkreten Patientensituation reicht nicht.
- Fehlende Dokumentation: Ohne Eintrag in die Krankengeschichte kann die Einwilligung im Haftungsfall nicht nachgewiesen werden.
- Mangelnde Einbindung bei Minderjährigen oder Vertretungsverhältnissen: Die rechtlichen Vertretungsrechte müssen exakt beachtet werden.
Digitalisierung als Chance: Informed Consent mit medudoc
Die Komplexität moderner Medizin und die knappen Ressourcen in Kliniken machen eine strukturierte, digitale Patientenaufklärung zunehmend relevant. Lösungen wie medudoc bieten:
- videobasierte Aufklärung auf Basis medizinischer Leitlinien
- individuelle Anpassung auf Indikation, Sprache und Risikoprofil
- digitale Unterschriften (inkl. Fernsignatur) mit revisionssicherer Speicherung
- strukturierte Dokumentation im Einklang mit ABGB, ÄrzteG und DSGVO
Vorteil für Fachpersonal: Reduktion des Aufklärungsaufwands um bis zu 70 %, höheres Patientenverständnis und rechtssichere Ablage aller Unterlagen – unabhängig davon, ob vor Ort oder per Telemedizin aufgeklärt wird.
Für einen vollständigen Überblick zur Integration digitaler Tools in die rechtssichere Aufklärung:
Zur Analyse: Digitale Patientenaufklärung & Informierte Einwilligung (Deutschland & Österreich)
FAQ zur informierten Einwilligung in Österreich
Fazit
Die informierte Einwilligung in Österreich ist ein klar strukturierter, rechtlich verbindlicher Prozess – kein formaler Akt. Fachpersonal trägt die Verantwortung, Patienten zu befähigen, Entscheidungen auf Basis valider Informationen zu treffen. In Zeiten wachsender Anforderungen bietet der Einsatz digitaler Tools wie medudoc die Chance, diesen Prozess effizient, standardisiert und rechtssicher abzubilden.



